Synoptische Übersicht Kurzfrist

ausgegeben am Dienstag, den 18.11.2025 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Anfangs HNZ (Hoch Nordmeer zyklonal), ab Donnerstag Übergang zu TrM (Trog
Mitteluropa)

Weiterhin frühwinterliche Komponenten (Frost, Glätte, Schneefall), aber auch
Ruhephasen ohne besondere Vorkommnisse. Am Mittwoch Ankunft von Tief TALAT in
Norddeutschland, dabei "weißes Überraschungspotenzial".

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... hat sich maritime Polarluft (mP) in ganz Deutschland breitgemacht.
Wahrscheinlich hat das die Nagelsmann-Burschen gestern Abend in Leipzig
animiert, ein bisschen mehr zu Laufen (gegen die Kälte und das imposante 6:0 vs.
die Slowakei "nur" ein positiver Kollateraleffekt war. Nun gut,
Kausalzusammenhänge zwischen Wetter, Witterung und rätselhafter
Leistungssteigerung zwischen Luxemburg am Frei- und Slowakei am Montag sind
reine Vermutung und seien mal dahingestellt. Bleiben wir beim Wetter, denn darum
geht´s a eigentlich in diesem Bulletin, und da hat der Frühwinter einen ersten
(in Teilen schon zweiten) Akzent gesetzt. Häufig ist es dann ja so, dass kurz
mal zugeschlagen wird, dann aber gleich wieder milde Luftmassen das Heft des
Handelns in die Hand nehmen. Diesmal läuft´s etwas anders, weil sich einer der
Frühwinter-Protagonisten, ein fetter nordeuropäischer Potenzialtrog, immer
wieder regeneriert. Außerdem manifestiert sich über dem Ostatlantik ein stark
meridional konturiertes Hoch (heute noch YI, morgen ohne Namen; was ist da los
FU Berlin/BWK?), das jedwede Zufuhr milder Luftmassen unterbindet.

Kommen wir zum heutigen Dienstag, an dem die Höhenströmung rückseitig eines
gerade abgezogenen größeren Randtrogs vorübergehend auf Zonalkurs geht. Das gibt
der eingeflossenen Polarluft (T850 heute früh -4 bis -8°C) insbesondere in der
Südhälfte die Möglichkeit, etwas zur Ruhe zu kommen. Bereits in der vergangen
Nacht war das der Fall gewesen, so dass die Temperatur bei vielfach klarem oder
nur gering bewölktem Himmel häufig in den leichten Frostbereich zurückging.
Verantwortlich für den Zwischenhocheinfluss ist ein zonal über Frankreich und
Süddeutschland bis nach Rumänien reichender Keil des besagten Atlantikhochs YI.
Zwar verliert der Keil im Tagesverlauf an Substanz bei gleichzeitiger
Verlagerung gen Süden, trotzdem reicht es, der Südhälfte einen trockenen und vom
westlichen Alpenrand über die Schwäbische Alb und den Schwarzwald bis ins
Saarland sogar heiteren bis sonnigen Tag zu bescheren.

In der Nordhälfte dagegen sind die Tendenzen zyklonaler, auch wenn jetzt nicht
ein dickes Tief direkt ante portas liegt. Vielmehr ist es ein aus mehreren
Kernen bestehendes System, das weite Teile von Nordeuropa inkl. UK/Irland
überdeckt, an dessen Rand weiterhin maritime Polarluft einströmt. Und da im Zuge
einer zwar sehr flachen, aber durchaus wirksamen Sekundärtrogpassage etwas
Höhenkaltluft eingesteuert wird (T500 um -30°C über T850 um -4°C), kommt es mit
Unterstützung des Tagesgangs sowie der relativ warmen Meeresoberflächen
(diabatischer Push) zu zahlreichen Schauern, die sich bis zum nördlichen
Mittelgebirgsrand ausbreiten. Oberhalb 400 bis 600 m fällt etwas Schnee (bei
stärkerer Intensität auch etwas weiter runter), für eine wenige Zentimeter dünne
Neuschneedecke dürfte es wenn überhaupt aber nur im Oberharz reichen. Ansonsten
nur etwas Schneematsch, in tiefen Lagen Regen oder Graupel, über und an der See
mit geringer Wahrscheinlichkeit auch mal ein ganz kurzes Gewitter.

Der westliche Wind weht an der See zunächst noch frisch bis stark mit Böen 7,
vereinzelt 8 Bft, nimmt später aber allmählich ab. Auf dem Brocken bleibt es
stürmisch mit Spitzen 8-9 Bft. Höchsttemperatur im Südosten 1 bis 5, sonst 4 bis
8°C. Im höheren Bergland leichter Dauerfrost.

In der Nacht zum Mittwoch setzt sich die Regeneration des schwerpunktmäßig über
Nordeuropa liegenden Potenzialtrogs fort. Rückseitig einlaufende Anteile machen
die Musik, wobei einer dieser Randtröge via Nordsee und UK nach Süden schwenkt
und dabei den Haupttrog bis Donnerstag gewaltig amplifiziert. Das allein ist
schon interessant und spannend, doch noch doller wird´s, wenn man die
korrespondierende Entwicklung im Bodendruckfeld dazu nimmt. Dort kommt nämlich
zunehmend ein Tiefdruckgebiet ins Spiel, das heute über UK noch ein Randdasein
fristet, in der Folge aber zu einem echten Athleten heranwächst. Die Rede ist
von TALAT, der kommende Nacht via Nordsee die Westfriesischen Inseln ansteuert,
bevor er am Mittwochvormittag das nordwestliche NDS erreicht. Mit gerade mal
etwas über 1000 hPa, die er bis dahin aufs Barometer bringen soll, gehört TALAT
zwar nicht zu den Größten seiner Zunft. Für Schlagzeilen ist er trotzdem gut.

Bevor TALAT aber so richtig ins Geschehen eingreift, kommt es in der Nordhälfte
zunächst noch zu weiteren Schauern, die oberhalb 200 bis 400 m als Schnee
fallen. In den mittleren und höheren Lagen der westlichen und nördlichen
Mittelgebirge reicht es hier und da für eine dünne Neuschneeauflage, sonst meist
nur für Schneematsch, aber durchaus Glätte. Nach Osten hin können auch im
Tiefland ein paar Flocken am Start sein, während der Niederschlag im Thüringer
Wald und im Erzgebirge noch gar nicht ankommt. Trocken bleibt es auch im
gesamten Süden, wo es zudem aufklart. Heißt in der frischen Kaltluft Abkühlung
in den leichten bis mäßigen Frostbereich, aber wenig Glätte, da kaum gefrierende
Nässe auftritt. Im Norden und Westen bleibt es weitgehend frostfrei.

Mittwoch... setzen im Westen und Nordwesten mit Annäherung des zunehmend
elliptisch geformten Tiefs sowie der Amplifizierung des Höhentrogs stärkere
Hebungsprozesse ein, bei der WLA und PVA zumindest vorübergehend eine Symbiose
eingehen. Der daraus resultierende Niederschlag weitet sich im Laufe des Tages
ostwärts aus (das Tief selbst zieht langsam über HH in Richtung westliche
Ostsee) und erfasst bis zum Abend weite Teile der Nordwesthälfte. Die
Schneefallgrenze liegt etwa zwischen 300 und 500 m, so dass die westlichen und
nördlichen sowie einige der zentralen Mittelgebirge (z.B. Rhön, Vogelsberg) in
den Genuss von 1 bis 5, lokal vielleicht bis zu 10 cm Neuschnee bis zum Abend
kommen. So weit, so gut. Spannender dürfte es in Teilen Norddeutschlands werden,
wo das Zusammenspiel von Tiefzugbahn (und -tempo), Wind und
Niederschlagsintensität (entscheidend für die Abkühlungsrate im Niederschlag)
dafür sorgen, dass es gebietsweise bis ganz runterschneit. Vor allem die
deutsche Modellkette entpuppt sich dabei als äußerst schneefreudig, soll es doch
zunächst von Ostfriesland bis in den Hamburger Raum schneien und später dann
noch in SH. Externe Modelle sind verhaltener, unterstützen aber den Schneefall
insbesondere in Teilen von SH - nachvollziehbar angesichts der Tatsache, dass
dort vor dem Tief längere Zeit südlicher bis östlicher Wind vorherrscht (später
dann Nord), der die Zufuhr milderer Meeresluft weitgehend unterbindet. Kurzum,
es geht Spitz auf Knopf zu und es wird von Feinheiten abhängen, wo wie viel
Schnee unten am Ende ankommt. Wir sollten uns aber nicht wundern, wenn in den
genannten Gebieten einige Zentimeter Nassschnee fallen, die vorübergehend auch
liegenbleiben. Die hohe Intensität der Schneefälle kaschiert bzw. übertrumpft
dabei den Bodenwärmestrom.

Der Süden und Südosten bekommen von dem Spuk nicht viel oder sogar gar nichts
mit, auch wenn der Hochkeil inzwischen nicht mehr zu finden ist. Es reicht
trotzdem für einen trockenen, teils sonnigen, teils wolkigen und frischen
Novembertag, an dem die Temperatur auf 1 bis 6, in BaWü bis zu 8°C (Oberrhein)
ansteigt.

In der Nacht zum Donnerstag zieht TALAT raus auf die Ostsee. Derweil schwenkt
die zugehörige Kaltfront südostwärts über den Vorhersageraum hinweg. Dabei kommt
es zu zeitweiligen Niederschlägen, die zumindest vorübergehend bis ganz unten
als Schnee fallen können. Nach Osten hin deutet sich allerdings überwiegend die
flüssige Phase an (vielleicht mal etwas Schneeregen), weil die Vorgeschichte vom
Tag eine nicht besonders kalte ist und zudem der auf westliche Richtungen
drehende Wind für etwas Durchmischung sorgt, was möglichem Schneefall nicht
zuträglich ist. Anders die Situation oberhalb etwa 200 bis 400 m, wo es durchweg
schneit und sich eine dünne, in den zentralen und südwestlichen Mittelgebirgen
ein 5 bis 10 cm dicke Neuschneeauflage bilden kann. Ob es im Hochschwarzwald
noch mehr wird, wie von ICON-D2 immer mal wieder simuliert, bleibt abzuwarten.

Rückseitig der Front gelangt eine frische Portion maritimer Polarluft in den
Norden und Westen. Dort trocknet es vorübergehend ab, die Wolkendecke lockert
auf und es kühlt verbreitet auf unter 0°C ab. Da durch den vorherigen
Niederschlag die Straßen und Wege vielerorts noch feucht oder nass sind, ist die
Gefahr gefrierender Nässe deutlich erhöht. An Nord- und Ostsee macht sich die
ankommende Höhenkaltluft (T500 um -38°C!! über T850 um -6°C) in Form von Regen-,
Schnee- oder Graupelschauern, teils elektrisch bemerkbar.

Donnerstag... gelangen wir zunehmend unter den stark amplifizierten
Langwellentrog, dessen Hauptachse am Mittag von Algerien über die Westalpen
hinweg bis nach Skandinavien und noch darüber hinaus bis zum Nordpolarmeer
reicht. Entsprechend werden weite Landesteile mit hochreichender und nicht allzu
feuchter Polarluft arktischen Ursprungs geflutet, in der T500 verbreitet auf -36
bis -39°C zurückgeht. Lediglich nach Süden und Südosten hin (dort noch
unmittelbare Trogvorderseite) wird es nicht ganz so kalt. Auch auf 850 hPa
punkten die Temperaturen weiterhin mit frühwinterlichen Werten (-4 bis -8°C),
was in Summe eine ziemlich labile Gemengelage ergibt. Tief TALAT entfernt sich
dabei - wenn auch langsam - immer weiter von uns in Richtung Gotland. Dahinter
fächert der Gradient auf, so dass windtechnisch mit Ausnahme der vorpommerschen
Küste (dort einzelne Böen 7 Bft aus Nordwest) nicht viel geht.

Zum Wetter, das im Süden und Südosten weitere Schneeschauer bringt, am meisten
davon in und an den Alpen (in Staulagen bis zu 10 cm Neuschnee). Schauer auch im
Westen und Norden, teils bis ganz runter als Schnee, mindestens als Graupel,
vereinzelt elektrisch. Dazwischen eine Art kompensatorisches Absinken mit einem
weitgehend trockenen Korridor, der von RP/Saarland über die Mitte bis hinüber
zur Neiße reicht. Mit Hilfe von leichtem Skandenföhn tut sich im Norden SHs
vielleicht ein kleines, aber länger andauerndes Sonnenfenster auf. Ansonsten
herrscht im Norden und Westen wechselnde, im Rest meist starke Bewölkung vor.

Thermisch wird noch ein Gang zurückgeschaltet, mehr als 1 bis 4°C, direkt an der
See bis 6°C sind nicht drin. Oberhalb etwa 500-600 m herrscht leichter
Dauerfrost.

Die Nacht zum Freitag bringt leichten Zwischenhocheinfluss mit vielfach
aufgelockerter Bewölkung und leichtem bis mäßigem Frost. Einige Schneeschauer
fallen am ehesten noch im äußersten Süden sowie im Bereich der westlichen und
nördlichen Mittelgebirge. Schnee-, Schneeregen- und Graupelschauer - teils
gewittrig - auch an den Küsten.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die wesentlichen Prognoseunschärfen ranken sich um das Tief TALAT, das am
morgigen Mittwoch auf Norddeutschland übergreift. Die Progression in Richtung
Ostsee wird bei UK10 und GFS deutlich langsamer gerechnet, was natürlich
Konsequenzen auf das Niederschlagsgeschehen hätte. Es macht allerdings wenig
Sinn, an dieser Stelle alle Wenns und Abers möglicher Szenarien
durchzudeklinieren, weil es einfach den Rahmen sprengen würde und das auf Basis
des Konjunktivs. Es ändert nichts an der Grundaussage, dass für wenn auch nur
kleine Teile Norddeutschlands (Favorit SH) eine sogenannte "weiße Überraschung"
keine Überraschung wäre.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann