Synoptische Übersicht Kurzfrist
SCHLAGZEILE:
In der Nacht zum Samstag im Südosten gebietsweise markantes Glatteis! Ansonsten
nicht viel los uff de Gass. Am Sonntag an der Nordsee windig bis stürmisch, aber
kein ausgewachsener Sturm.
Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland am südlichen Rand eines umfangreichen
Tiefdrucksystems mit Zentrum (YONATAN) über der Norwegischen See. Mit etwas
unter 970 hPa im Kern ist YONATAN recht prominent aufgestellt, was auf den
Vorhersageraum in Bezug auf Wind aber nur peripher abfärbt. Eingebettet ist das
Tief in einen breiten, aber nur mäßig amplifizierten Potenzialtrog über
Nordwesteuropa, dessen südliche Begrenzung sich heute Abend vom Seegebiet
west-südwestlich von Irland bis hinüber zur Nordsee erstreckt. Bereits in der
kommenden Nacht läuft ein signifikanter Sekundärtrog in die Rückseite des
Haupttroges hinein, was am Wochenende eine Verkürzung seiner Wellenlänge bei
gleichzeitiger Ausdehnung seiner Amplitude in Richtung Iberische Halbinsel zur
Folge hat. Zu erwähnen ist auch noch die langgestreckte Kaltfront des Tiefs, die
sich schon seit geraumer Zeit diagonal exponiert über dem Westen und Norden des
Landes eingefunden hat. Die Front, die passend zur 5. Jahreszeit zumindest für
den Südosten maskiert daherkommt (dort abgekoppelte kalte Grundschicht, wird
gleich noch Thema), glänzt bisher nicht gerade durch üppige Progression.
Vielmehr handelt es sich um ein klassisch schleifendes Exemplar mit bisher
geringem Impact (durchbrochenes Regenband mit überwiegend geringen
Stundensummen, nur im Westen gebietsweise Tagessummen zwischen 5 und 10 l/m²),
das offensichtlich den berühmt-berüchtigten Tritt in den Allerwertesten braucht,
um ein bisschen in Schwung zu kommen.
Und tatsächlich erfolgt in nicht allzu ferner Zukunft genau dieser "Tritt" in
Form eines kleinen, aus dem Haupttrog herauslaufenden Kurzwellentrogs, der in
der Nacht zum Samstag über die Nordsee und Norddeutschland nordostwärts
schwenkt. Zunächst bremst dieser KW-Trog die Front noch für einen kleinen Moment
aus (leichtes Rückdrehen der Höhenströmung), was mit der Passage einer ganz
flachen Welle an der Luftmassengrenze einhergeht. Danach aber drehen die
Höhenwinde wieder ein Stück nach rechts und die Front bekommt den entscheidenden
Push nach vorn. Oder anders ausgedrückt, das Regenband, das sich durch die
flache Welle etwas intensiviert hat (im Grunde löst ein neues Band das alte ab,
wie man aktuell auf dem Radar erkennen kann), verlagert sich Schritt für Schritt
über die Mitte hinweg in den Osten und Süden, wo es auf "vermintes" Gebiet
trifft. Womit wir wieder bei der oben bereits kurz angerissenen kalten
Grundschicht wären.
Vornehmlich in den Gebieten von Oberschwaben bis hinüber zu den ost- und
nordostbayerischen + den sächsischen Mittelgebirgen konnte die abgekühlte
Grenzschicht aus der vergangenen Nacht trotz (eigentlich besser wegen) des
leichten Zwischenhocheinfluss (zonaler Hochdruckstreifen ALRUN) und z.T.
ganztägigen Sonnenscheins nicht wirklich deinstalliert werden. Wind fehlte auch
oder kam aus der "falschen" Richtung, so dass die Temperatur stellenweise sogar
unter dem Gefrierpunkt blieb. Am Abend kühlt es nun vor allem in den offenen
Regionen wieder etwas runter, so dass die negativ temperierten Areale noch etwas
größer werden. Nicht ganz einfach einzuschätzen ist, wo und wie genau die
Gegenstrahlung der langsam reinziehenden Bewölkung eine gegenteilige, sprich
wärmende Wirkung entfacht und wie genau diese sich bei der Temperaturentwicklung
äußert. Es sieht aber so aus, dass am Rande des aktuell bewarnten Gebietes keine
Glättegefahr mehr entsteht. Fakt ist, dass nur wenige hundert Meter über der
Grenzschicht positive Temperaturen vorherrschen, teils bis zu 5°C und ebenfalls
mehrere hundert Meter mächtig. Kurzum, die Vertikalprofile zeigen ein typisches
Warme-Nase- oder auch Glatteismuster, das keine Zweifel daran lässt, was dem
Südosten kommende Nacht bevorsteht: gefrierender Regen mit Glatteis.
Die Wahrscheinlichkeit, dass der Regen aufgrund von Niederschlags- respektive
Verdunstungsabkühlung irgendwann in Schnee übergeht, ist aufgrund der relativ
mächtigen Warmschicht sehr gering. Nur in höheren Lagen der Alpen (grob ab 1500
m) dürfte es für etwas Schneefall reichen. Trotzdem besteht die berechtigte
Hoffnung, dass es nicht so fett kommt wie vergangenen Sonntag/Montag, als in
weiten Teilen Süddeutschlands die erste Glatteislage des Winters 25/26
aufgetreten ist und verbreitet die Rote Karte (Unwetter) gezogen werden musste.
Wir sollten auch die jetzige Situation nicht unterschätzen und es ist auch gut
möglich, dass die prophylaktisch ausgegebenen markanten Glatteiswarnungen an der
ein oder anderen Stelle kurzfristig noch auf Rot gestellt werden müssen. Die
Vorgeschichte ist aber eine andere als vergangene Woche. Zum einen sind die
negativen Vortemperaturen nicht so niedrig und die Frosteindringtiefe ist um
einige Zentimeter geringer, was die Andauer des Glatteisereignis verkürzen
dürfte. Nevertheless, Theorie ist das eine, Praxis das andere. Am Ende gilt,
glatt bleibt glatt, egal welche Farbe auf der Warnkarte erscheint. Also liebe
Leute, vorsichtig fahren oder noch besser tu huus bleiben, wenn´s geht.
Bliebe nur noch zu sagen, dass postfrontal eine Portion erwärmter Meereskaltluft
subpolaren Ursprungs (mPs; T850 0 bis +3°C) zunächst in die Nordwesthälfte
einströmt. Regnen tut es dort dann nicht mehr (allenfalls vereinzelte Schauer
über der Nordsee), aber substanzielle Wolkenlücken sind auch nicht auszumachen,
was Frostfreiheit garantiert. Wenn sich doch mal irgendwo ein Fenster lange
genug öffnet, kann sich rasch Nebel bilden. Ansonsten werden
Sichteinschränkungen vor allem durch aufliegende Wolken initiiert
(zentrale/westliche Mittelgebirge). Mit Durchgang eines flachen Bodentrogs
frischt der südwestliche Wind auf und an der Nordsee vorübergehend auf, was der
Elbmündung sowie der schleswig-holsteinischen Küste ein paar Böen der Stärke 7
bis schwache 8 Bft bringt. Bereits zur frühen Morgenwäsche hat sich der Wind
aber schon wieder abgeschwächt.
Samstag ... zieht die Kaltfront im Laufe des Vormittags aus dem Südosten ab,
wenn sie sich vorher nicht schon bis zur Unkenntlichkeit runtergewirtschaftet
und entsprechend aufgelöst hat. Immerhin ist das Umfeld eher frontolytisch
gebaut mit einem vorübergehend von Südwesten über die Alpen vorstoßenden
Höhenkeil. Ob aufgelöst oder nicht, die anfänglich vom Alpenrand bis hoch nach
Sachsen bzw. zur Niederlausitz noch auftretenden Niederschläge schwächen sich
bis Mittag deutlich ab oder hören ganz auf. Damit entspannt sich auch die
Glättesituation, trotzdem muss bis in den Vormittag hinein zumindest punktuell
noch mit Glatteis gerechnet werden. Insbesondere in topografisch geschütztem
Gelände in oder unweit der östlichen und südöstlichen Mittelgebirge dauert es
mangels Durchmischung in der Regel etwas länger, bis die Kaltluft entschärft
oder gar ausgeräumt ist.
Ansonsten steht morgen ein zumindest aus meteorologisch-synoptischer Sicht ein
eher langweiliger Samstag bevor. Die interessanteren Dinge ereignen sich
entweder in den Bundesligastadien oder spielen sich weiter westlich, namentlich
im Bereich UK/Irland ab. Dort verschärft sich nämlich der o.e. Trog, was ein
über England positionierter, zunächst recht unscheinbar daherkommender Bodentrog
zum Anlass nimmt, in ein zyklonales Entwicklungsstadium einzutreten. Oder etwas
weniger schwülstig ausgedrückt, Zyklogenese setzt ein und es bildet sich das
Tief ZENOBIO, das am Sonntag unter Vertiefung auf nahe 990 hPa die Nordsee in
Richtung Nordjütland/Skagerrak kreuzt. Dann, also am ersten Advent, wird es sehr
wahrscheinlich auch bei uns einen gewissen Impact generieren, vor allem auf und
um die Nordsee herum.
Zuvor erleben wir aber einen vergleichsweise ruhigen Samstag, an dem starke
Bewölkung Trumpf ist. Bei 800 hPa stellt sich eine Absinkinversion ein, welche
die feuchte Grundschicht deckelt. Die Folge ist viel hochnebelartige
Stratusbewölkung oder auch Stratocumulus, zum dem sich später (teilweise für uns
von unten gar nicht sichtbar) im Norden und Westen noch WLA-bedingte hohe und
mittelhohe Wolken dazugesellen. Immerhin bleibt es im Großen und Ganzen trocken
und regionsweise - u.a. in Teilen BaWüs sowie allgemein im Lee, also nördlich
der zentralen Mittelgebirgsschwelle - lockert es auch mal auf. Abgesehen vom
Brocken (Böen 8, vereinzelt 9 Bft) sowie der freien Nordsee (Böen 7-8 Bft)
liefert der vornehmlich aus Süden wehende Wind tagsüber keine nennenswerten
Impulse.
Während sich im Südosten weiterhin Reste der runtergekühlten Grundschicht mit
Tagesmaxima von 1 bis 5°C halten, geht´s sonst hoch auf 6 bis 12°C mit den
höheren Werten in der Westhälfte.
In der Nacht zum Sonntag kommt der nördliche Teil des o.e. scharfen Höhentrogs
bis zur Nordsee voran. Das gleiche Ziel gibt das korrespondierende Bodentief
ZENOBIO aus, das via Humber und Dogger in Richtung Fisher steuert. Die
zugehörige Kaltfront greift weitgehend unmaskiert auf den Westen und Nordwesten
über, wobei es etwa vom Oberrhein bis hoch nach SH sowie westlich davon anfängt
zu regnen. Je nach Progression des Regens und Vorgeschichte der Temperatur lässt
sich nicht ganz ausschließen, dass im Süden von BaWü lokal gefrierender Regen
auftritt. Erdrückend sind die Hinweise der Numerik aber keinesfalls und in den
übrigen vom Regen betroffenen Gebieten braucht man sich eh keine Sorgen machen,
bleibt doch die Nacht mit 9 bis 6°C ziemlich mild. Leichter Frost tritt
ausschließlich im präfrontalen Süden und Südosten auf (Südbaden bis
ostbayerische Mittelgebirge bzw. Erzgebirge), Stichwort abgekoppelte
Grundschicht. Zudem kann sich dort an der ein oder anderen Stelle Nebel bilden.
Noch nicht endgültig geklärt ist die Frage, inwieweit das Starkwind-/Sturmfeld
des Kollegen ZENOBIO bis zum Morgen das deutsche Nordseeküstengebiet
beeinflussen wird. Je langsamer und je weiter nördlich das Tief, desto
wahrscheinlicher, dass warnrelevante Böen aus Südwesten noch offshore bleiben
(Helgoland ausgenommen, aber ist ja quasi offshore).
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Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC
Sonntag ... ist den Ausführungen der Frühübersicht nicht viel hinzuzufügen.
Allerdings simuliert der 12-UTC-Lauf von ICON das Tief am Sonntagmittag gut 150
km weiter nördlich als der 00-UTC-Lauf, was rund um die Deutsche Bucht etwas
weniger Wind/Sturm bedeuten würde. Gleichwohl wird es an der Nordsee bis ins
schleswig-holsteinische Binnenland ein windiger Sonntag, bei dem nur noch nicht
feststeht, ob die Flamme der ersten Adventskerze mit 90° oder 120° waagerecht
zum Boden lodert - Spaß. Nach einer fetten Sturmlage, wie es sie Anfang und Ende
Oktober schon mal gab, sieht es dieses Mal nicht aus.
Modellvergleich und -einschätzung
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Dem Haupttext ist an dieser Stelle nichts hinzuzufügen.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann